Femizid: Die unsichtbare Krise – Warum wir hinsehen müssen
Wenn Frauen sterben, weil sie Frauen sind
Jeden Tag verlieren Frauen weltweit ihr Leben, nicht durch Zufall oder Einzelfälle, sondern weil sie Frauen sind. Femizid bezeichnet die vorsätzliche Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Diese Morde werden oft von (Ex-)Partnern oder Familienmitgliedern begangen und sind Ausdruck tief verwurzelter Machtstrukturen.
Doch warum spricht kaum jemand darüber? Warum werden diese Verbrechen oft verharmlost? In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die Hintergründe, die Mechanismen – und vor allem darauf, was wir dagegen tun können.
Agenda: Was dich in diesem Beitrag erwartet
- Was ist ein Femizid? – Definition und Abgrenzung
- Welche Formen von Femizid gibt es? – Intimpartner-, familiäre und Femizide in der Prostitution
- Warum geschehen Femizide? – Die Gewaltspirale und das Besitzdenken der Täter
- Welche Risikofaktoren gibt es? – Die gefährlichste Zeit für betroffene Frauen
- Wie kann die Gesellschaft reagieren? – Prävention, Schutz und Aufklärung
- Warum ist die Medienberichterstattung so wichtig? – Der richtige Umgang mit Sprache
Was ist ein Femizid?
Femizid ist kein Verbrechen aus Leidenschaft oder ein tragisches Beziehungsdrama – es ist die vorsätzliche Ermordung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts. Dabei geht es nicht um einzelne Taten, sondern um ein strukturelles Problem. Es gibt verschiedene Formen von Femizid, die sich je nach sozialem und kulturellem Kontext unterscheiden.
Welche Formen von Femizid gibt es?
- Intimpartner-Femizid: Die häufigste Form, begangen von (Ex-)Partnern, oft nach einer Trennung.
- Familiärer Femizid: Oft als „Ehrenmord“ bezeichnet – Frauen werden von Verwandten getötet, weil sie angeblich die Familienehre verletzt haben.
- Femizid in der Prostitution: Frauen in der Sexarbeit sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, Opfer tödlicher Gewalt zu werden.
Warum geschehen Femizide?
Femizide sind oft das Ende einer langen Gewaltspirale. Sie entstehen aus einem toxischen Besitzdenken: Der Täter glaubt, er habe ein Anrecht auf die Frau, auf ihre Liebe, ihren Körper und ihre Existenz.
Wenn Frauen versuchen, sich aus einer gewaltvollen Beziehung zu lösen, steigt die Gefahr enorm. Besonders gefährlich ist die Zeit nach einer Trennung – viele dieser Morde sind geplant und keine spontanen Taten.
Wie kann die Gesellschaft reagieren?
Damit Frauen besser geschützt werden, braucht es ein umfassendes Maßnahmenpaket:
- Ausreichende Finanzierung für Frauenhäuser und Beratungsstellen – damit Betroffene eine sichere Zuflucht haben.
- Täterarbeit und Präventionsprogramme – damit Gewalt gar nicht erst eskaliert.
- Bessere rechtliche Rahmenbedingungen – Schutzanordnungen müssen durchgesetzt werden.
- Aufklärung und Bildung – Geschlechterrollen und toxische Männlichkeitsbilder müssen hinterfragt werden.
Warum ist die Medienberichterstattung so wichtig?
Viele Medien berichten verharmlosend über diese Verbrechen. Sie sprechen von „Familientragödien“, „Beziehungsdramen“ oder „Eifersuchtsmorden“. Dadurch wird der strukturelle Charakter dieser Taten verschleiert. Femizide sind keine Privatsache – sie sind ein gesamtgesellschaftliches Problem, das benannt werden muss.
Fazit: Wir alle sind gefragt!
Femizide sind keine Einzelfälle, sondern die Spitze eines Eisbergs aus patriarchaler Gewalt. Sie betreffen uns alle – und sie können verhindert werden. Wir müssen darüber sprechen, hinschauen und handeln.
Jede und jeder kann einen Beitrag leisten: Sei es durch Aufklärung, Engagement oder einfach dadurch, Betroffenen zuzuhören und ihnen zu glauben. Denn jede Frau hat das Recht, sicher und frei zu leben.
Zahlen, Daten und Fakten
- Im Jahr 2023 wurden laut Bundeskriminalamt 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten.
- 360 Frauen wurden getötet – das entspricht nahezu einem Femizid pro Tag.
- 155 dieser Frauen wurden von (Ex-)Partnern getötet.
- 132.966 weibliche Opfer von Partnerschaftsgewalt wurden registriert.
- 47.749 weibliche Opfer von innerfamiliärer Gewalt wurden erfasst – die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.
- Weltweit wurden laut UN-Statistik rund 85.000 Frauen und Mädchen Opfer von Femiziden.
Diese Zahlen verdeutlichen die Dringlichkeit, mit der gegen geschlechtsspezifische Gewalt vorgegangen werden muss.
Quellen
- BMFSFJ: Straftaten gegen Frauen und Mädchen steigen in allen Bereichen – Fast jeden Tag ein Femizid in Deutschland
- BMI: Gewalt gegen Frauen
- tagesschau.de
- Weißer Ring
Hilfsangebote für Betroffene
- Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“
Kostenlos und anonym, rund um die Uhr erreichbar unter 08000 116 016 oder online unter www.hilfetelefon.de - Frauenhäuser und Beratungsstellen
Rund 400 Frauenhäuser und über 40 Schutzwohnungen in Deutschland mit mehr als 6.000 Plätzen. Übersicht: BMFSFJ - bff: Frauen gegen Gewalt e.V.
Bundesweiter Überblick über Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe: frauen-gegen-gewalt.de - SkF Saarland e.V.
Beratungs- und Interventionsstelle für Opfer häuslicher Gewalt
Richard-Wagner-Str. 17, 66111 Saarbrücken
Tel.: 0681/3799610, Fax: 0681/37996115
interventionsstelle@skf-saarland.de
Zur Website
Verhalten bei vermuteter Bedrohung oder häuslicher Gewalt
- Bei akuter Gefahr: Notruf 110 wählen – zögern Sie nicht.
- Hinweise ernst nehmen: Wenn Sie Anzeichen von Gewalt wahrnehmen, sprechen Sie die betroffene Person an und bieten Sie Unterstützung an.
- Professionelle Hilfe einbeziehen: Empfehlen Sie, sich an Beratungsstellen oder das Hilfetelefon zu wenden.
- Eigene Grenzen beachten: Unterstützen Sie, ohne zu drängen – respektieren Sie die Entscheidungen der Betroffenen.
Autorin
Corinna Rebmann M.A.
Beratungs- und Interventionsstelle für Opfer häuslicher Gewalt
Sozialdienst katholischer Frauen Saarland e.V.
Richard-Wagner-Straße 17, 66111 Saarbrücken
